Keine Panik - öfter mal gelassen bleiben

Wer außer mir kennt sie aus seinem Alltag? Diese Momente, wenn das Herz anfängt, wie wild zu klopfen, uns unwillkürlich die Luft weg bleibt und sämtliche Muskeln im Körper sich anspannen. Wir fühlen uns leicht schwindelig, der Schweiß bricht aus, im Kopf fährt alles Achterbahn und kein klarer Gedanke will sich mehr fassen lassen.

 

Ob der Chef gerade ein hochwichtiges Projekt mit einer utopischen Deadline versieht, wir spontan vor Publikum sprechen sollen oder im Stau stehen, während für den gebuchten Flug gleich der Check In Schalter schließt – solche Auslöser reichen an manchen Tagen um uns völlig aus dem Konzept zu bringen.

 

Manche Menschen neigen dazu, auch schon bei weniger kritischen Ereignissen in „Panik“ zu verfallen. Bei mir zum Beispiel reichte es früher schon aus, wenn ich drohte irgendwohin zu spät zu kommen (egal, ob das ein Arbeitsmeeting oder Treffen mit Freunden war oder eine Zeit, die ich mir selbst gesetzt hatte). Natürlich trugen weiche Knie und zittrige Hände grundsätzlich nie dazu bei, dass ich schneller wurde und es doch noch pünktlich schaffte…

 

Warum reagieren wir so?

An sich ist eine Angstreaktion nicht Schlechtes. Sie ist dazu da um uns zu schützen und uns bei Bedrohung eine blitzschnelle Reaktion zu ermöglichen. Adrenalin wird ausgeschüttet und alle Körpersysteme bereiten sich darauf vor entweder zu kämpfen oder zu flüchten – das „Fight or Flight“ Programm wird abgespielt.

 

Das Problem mit diesem Programm ist, dass es vermutlich uralt ist. Das heißt, es ist auf Situationen optimiert, in denen es hilft, entweder wegzulaufen oder einen Kampf auszufechten. Leider sind diese Situationen heutzutage eher dünn gesät. Die wenigsten von uns haben schon einmal einen Säbelzahntiger live gesehen, die meisten haben aber in Alltagssituationen schon einmal eine ähnliche Reaktion an sich beobachtet. Das liegt daran, dass dieses Programm tief in uns verankert ist und automatisch ausgelöst wird, wenn wir uns bedroht fühlen. Da heutzutage aber meist keine der beiden Standardoptionen – Flucht oder Angriff – möglich oder hilfreich ist, kann das Programm nicht bis zum Ende ausgeführt werden und „bleibt hängen“.

 

Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine echte Bedrohung oder um ein Gedankenkonstrukt handelt.
Zum Beispiel: „ Ich muss immer pünktlich sein, weil ich a) sonst etwas Wichtiges verpasse und meinen Beitrag nicht leisten kann, b) sonst alle wütend auf mich sind oder c) ich sonst hinter meinem eigenen Zeitplan hinterher hinke und nichts gebacken kriege.“

 

Die Angstreaktion des Körpers ist darauf ausgelegt, den Verstand auszuschalten und wesentliche schnellere instinktive Reaktionen zu ermöglichen. Wenn wir überhaupt eine Lösung sehen und es uns gelingt sie umzusetzen, erweist sie sich im Nachhinein häufig als totaler Quatsch, der im besten Fall zumindest nicht schadet, uns aber im schlechtesten Fall noch tiefer in die Misere reitet.

 

Was kann ich tun um in solchen Momenten meine Ruhe und Gelassenheit wieder zu finden?

Wenn es so einfach wäre, aus dem Panik-Programm auszusteigen und ein anderes abzuspielen, würden wir das sicherlich tun. Solche unbewussten automatisch ablaufenden Strategien zu überwinden, erfordert aber mitunter ein gewisses Maß an Bewusstheit und Anstrengung. Das ist in einer Belastungssituation natürlich schwierig.

 

Die gute Nachricht: Es gibt einfach anzuwendende Tricks, die akut helfen den Panik-Zug zu stoppen. Und je häufiger eine neue Strategie bewusst geübt wird, desto eher wird sie auch so abgespeichert, dass sie irgendwann unbewusst ablaufen kann.

 

Das ist ähnlich wie beim Autofahren: In den ersten Fahrstunden müssen wir noch jedes Mal überlegen, welches Pedal jetzt zu treten oder welcher Gang einzulegen ist. Irgendwann läuft das alles völlig unbewusst ab und wir müssen nicht mehr daran denken.

 

 

Was also kann ich tun, wenn mich im Alltag die Angst packt und lähmt?

 

Als erstes (und jetzt bitte nicht die Augen verdrehen, weil das schon Oma immer gesagt hat): Tief durchatmen!
Im Ernst, es hilft wirklich. Einige tiefe Atemzüge versorgen das Gehirn wieder mit Sauerstoff und beruhigen den Körper.

 

Im zweiten Schritt geht es darum, mir klar zu machen, dass ich womöglich gerade das falsche Programm abspiele. Das heißt nicht, die Situation klein zu reden. Wenn ich mit Angst reagiere, bedeutet das, dass ich mich existenziell bedroht fühle und das ist ernst zu nehmen.

 

Deine Gedanken sind nicht die Realität

Eine gute Möglichkeit ist es, mich von den eigenen Gedanken zu distanzieren und die emotionale Reaktion zu relativieren. Das kann ich erreichen, indem ich mir bewusst sage:

 

„Ich habe den Gedanken, dass… es schlimm ist, wenn ich jetzt zu spät komme!"
(Wahlweise: "...es eine Katastrophe ist, wenn ich den Auftrag meines Chefs nicht erfülle… etwas Schreckliches passiert, wenn ich vor allen Leuten lächerlich mache… es furchtbar ist, wenn ich den Flug verpasse.“)

 

Dieses Mittel ist wirklich mächtig. Denn sobald ich erkenne, dass es meine Gedanken sind, die mir Panik verursachen, kann ich meine Gedanken hinterfragen. „Ist das wirklich so? Was wäre daran so schlimm? Wie wahrscheinlich ist es, dass es tatsächlich eintritt?“

 

Normalerweise stelle ich dann fest, dass selbst der schlimmste Fall vielleicht unangenehm, aber keine echte Bedrohung für mich wäre und erkenne, dass er höchstwahrscheinlich auch gar nicht eintreten wird.

 

Wie schlimm ist es wirklich?

Um die Situation in eine angemessene Perspektive zu setzen – anstatt mich hineinzusteigern – kann ich mir außerdem die entscheidende Frage stellen: „Selbst wenn es schief geht, wird es mich in fünf Jahren noch belasten? Wird es mich in zwanzig Jahren noch belasten?“

 

In fast allen Fällen ist die Antwort auf beide Fragen nein und das hilft mir, mich unmittelbar zu beruhigen.

 

 

Wenn ich mich immer noch flatterig fühle, dann hilft es mir, mich an etwas Wichtiges zu erinnern:
Das Interessante ist nämlich, dass es in wirklich bedrohlichen Situationen meistens gar nicht erst zum „Programmabsturz“ kommt.

 

Vor einigen Jahren war ich alleine in den norwegischen Bergen unterwegs, bin falsch abgebogen und habe mich verfahren. Nach einem missglückten Wendemanöver stand ich mit dem Auto quer zum Weg und Auge in Auge mit dem Abgrund. Ich hing mit den Hinterrädern in einem glitschigen Graben fest, zwanzig Zentimeter hinter der hinteren Stoßstange ragte eine Felswand auf. Als ich ausstieg um mir das Dilemma zu betrachten, stellte ich fest, dass ich vor den Vorderrädern noch ungefähr einen Meter Platz hatte, bevor es mehrere hundert Meter steil bergab ging. Ich musste ordentlich Gas geben um die Hinterräder aus dem Graben zu befreien, aber ein bisschen zu viel würde mich den Abhang hinunter segeln lassen. Mir war in diesem Moment vollkommen klar, dass eine falsche Reaktion von mir jetzt meine verbleibende Zukunft auf ein Minimum reduzieren könnte. Und das mir. Wo ich doch wirklich keine große Autofahrerin bin und schon beim parallelen Einparken ins Schwitzen gerate…

 

Weit und breit keine Menschenseele, kein Handy-Netz.

 

 

Ich weiß nicht mehr, wie ich es geschafft habe den Wagen zu wenden, nur noch, dass ich dabei ganz ruhig war. Erst einige Kilometer später, beim nächsten Stopp an einer Haltebucht wurde mir klar, was da gerade passiert war und dass ich es überlebt hatte. Da sackten mir dann wirklich die Beine weg.

 

 

Seit ich weiß, dass ich mit ein paar simplen Fragen an mich selbst aus dem Programm ausbrechen kann, gelingt es mir wesentlich gelassener zu bleiben. Ultimativ wirkt bei mir inzwischen die Überzeugung: Wenn es wirklich gefährlich für mich wäre, dann würde ich jetzt ganz ruhig bleiben (und erst später in Ohnmacht fallen).

 

Wie kann ich mich dauerhaft besser schützen, wenn ich Panik-Momente im Alltag häufiger erlebe?

Es sind vor allem zwei Hauptursachen, die uns dafür prädestinieren häufiger in Panik zu verfallen.

 

Eine davon ist Stress. Wenn ich grundsätzlich gestresst bin, passieren zwei Dinge: Erstens, ich werde fahrig und bringe mich dadurch häufiger in Situationen, die ich so nicht vorhergesehen habe und die meinen Plan durcheinander werfen. Ich verlege zum Beispiel meinen Schlüssel, den ich dann erst suchen muss, bevor ich losgehen kann, oder ich steige aus Verwirrung in den falschen Bus. Dann bin ich einfach häufiger spät dran.
Zweitens reichen, wenn ich grundsätzlich schon nervös und gestresst bin, kleine Auslöser um mich in Panik verfallen zu lassen. Dann ist das Fass ohnehin schon fast voll, und es reicht der berühmte Tropen um es zum Überlaufen zu bringen.

 

Aus einer ruhigen und gelassenen Grundhaltung heraus entstehen Panikreaktionen wesentlich seltener und brauchen größere Auslöser. Deshalb hilft es das eigene Stresslevel möglichst dauerhaft zu reduzieren um sich weniger anfällig zu machen. Welche Stressfaktoren dich besonders beeinträchtigen und welche Strategien zur Stressreduktion für dich persönlich gut funktionieren, kannst du durch eigene Reflektion und Ausprobieren herausfinden. Wenn du alleine nicht weiter kommst, kann dich auch ein auf dich persönlich abgestimmtes Coaching unterstützen.

 

 

Die zweite Hauptursache sind die eigenen Gedanken-Konstrukte, die uns eine Gefahr vorgaukeln. Sicher kennt jeder diese Menschen, die generell eher ruhig bleiben – vermutlich weil sie wenige dieser Muster in sich tragen. Und es gibt andere, die durch ihre Vorprägung für alle Lebensbereiche Überzeugungen haben, wie etwas sein muss, wie es nicht sein darf und dass Abweichungen davon eine Katastrophe bedeuten. Ich gehörte schon immer eher zur zweiten Gruppe.

 

Die gute Nachricht ist: Diese Überzeugungen kann man ändern und sich dauerhaft besser fühlen. Häufig hilft es schon, sich zu hinterfragen und sich bewusst zu machen, was einen da steuert. Zum Beispiel, dass es schlimm für mich wäre, wenn andere sauer auf mich sind, weil ich zu spät komme.
Manchmal reicht das aber nicht aus. Es kann sein, dass ich zwar verstanden habe, was das Thema ist, aber mich trotzdem immer wieder in ähnlichen Situationen finde. Dann kann so eine Überzeugung relativ einfach „umprogrammiert“ werden. Wie das geht, habe ich vor einigen Jahren gelernt und arbeite damit seither sehr erfolgreich für mich selbst und mit meinen Coachees.  

 

***Hinweis***

In diesem Artikel geht es um Situationen, die wahrscheinlich (fast) jeder kennt, die belasten können und wo wir uns selbst im Weg stehen.

Es geht ausdrücklich nicht um Panikattacken, Angst- oder Panikstörungen im medizinischen Sinn. Wer häufig Panikgefühle ohne erkennbaren Auslöser erlebt, dem rate ich dringend, ärztliche oder therapeutische Hilfe zu suchen.

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